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Arbeiten 4.0: Im Flow dank künstlicher Intelligenz

Neue Kompetenz-Assistenzsysteme mit künstlicher Intelligenz sollen künftig helfen, konzentrierte Arbeitsphasen zu erhalten und Anstöße zur beruflichen wie auch persönlichen Kompetenzentfaltung zu geben. Ein solches System entwickelt gerade das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in dem Projekt Kern.

Nicht nur Künstler haben Schaffensphasen, auch am Arbeitsplatz können Menschen so in Tätigkeiten aufgehen, dass sie in einen konzentrierten Zustand – den „Flow“ – kommen, der zu mehr Wohlbefinden, Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit führt. Diesen Zustand herzustellen oder zu erhalten, darum geht es in dem vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) koordinierten Projekt "Kern" (steht für „Kompetenzen entwickeln und im Zeitalter der Digitalisierung richtig nutzen“).

Hierzu entwickelt das KIT ein Assistenzsystem, welches den Flow dank künstlicher Intelligenz anhand von Herzfrequenz oder Hautleitwert erkennt. Ziel ist es, Störungen abzuschirmen und Kompetenzen aufzubauen, die den Flow fördern. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) fördert das Projekt mit 1,36 Millionen Euro.

Kompetenz-Assistenzsysteme für die zukünftige Arbeitswelt

"Die Automatisierung und die fortschreitende Digitalisierung der Wertschöpfungsketten verändert die Arbeitswelt rasant", erklärt Professor Alexander Mädche, der die Forschungsgruppe Information Systems & Service Design (ISSD) am KIT leitet. "Modernes Kompetenz- und Bildungsmanagement muss Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der zielgerichteten Entwicklung und dem Einsatz ihrer Kompetenzen am Arbeitsplatz kontinuierlich unterstützen." Das Projekt Kern konzipiert Kompetenz-Assistenzsysteme (KAS) für die Arbeitswelt der Zukunft und verwendet hierfür Methoden künstlicher Intelligenz.

Im Mittelpunkt steht der Mensch. Er ist am zufriedensten und produktivsten, wenn er ungestört seiner Tätigkeit nachgehen kann und seine Fähigkeiten optimal zu den Anforderungen der jeweiligen Tätigkeit passen, so die Grundannahme des Projekts. Ein wichtiger Bestandteil des Projekts ist deshalb der Flow eines Menschen. Flow bezeichnet einen Zustand, in welchem eine Person völlig in einer Aufgabe aufgeht und dabei hoch konzentriert ist. Dieser Zustand kann wiederum zu einem höheren Wohlbefinden, höherer Zufriedenheit sowie gesteigerter Leistungsfähigkeit des Menschen führen. Diesen Zustand idealerweise nicht zu unterbrechen oder ihn sogar zu unterstützen und somit die Zeit im Flow während der Arbeit auszudehnen, ist ein gemeinsames Ziel der Partner im Projekt "Kern".

Den optimalen Flow zuverlässig erkennen

In dem Projekt werden die Probandinnen und Probanden am Arbeitsplatz Sensoren in Armband oder Brustgurt tragen, die beispielsweise Herzfrequenz oder Hautleitwert messen. Diese physiologischen Daten sind komplexe Muster, die von Person zu Person stark variieren können. Neuartige Ansätze aus der KI sind erforderlich, um Muster des Flows in Echtzeit zu erkennen. Erst vor Kurzem gelang einer Arbeitsgruppe am KIT erstmals die Klassifikation des Flows auf der Basis physiologischer Daten mit einem neuroevolutionären Deep-Learning Ansatz, einer Methode des maschinellen Lernens.

Auf dieser Basis entwickelt das Projekt Kern dann den Prototypen eines KI-basierten KAS, das situationsbezogenes Feedback geben soll. Je nach Nutzungswunsch könnte dies so weit gehen, dass zum Beispiel E-Mails und Benachrichtigungen auf eine Art zugestellt würden, die den Flow nicht stört. Erkennt das System, dass das produktive Arbeiten längerfristig gestört ist, etwa weil die Aufgaben nicht mehr dem Kompetenzprofil der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters entsprechen, macht es Vorschläge zur persönlichen Kompetenzentwicklung.

Entwicklung neuer Bildungsformate

Das Projekt Kern konzipiert Bildungsformate sowohl zur Aufgabenbewältigung als auch zur strategischen Personalentwicklung. Diese können von Kurzmeldungen mit Alltagstipps, über einen digitalen Assistenten bis hin zur persönlichen Beratung durch einen menschlichen Experten reichen. Analog zu Navigations-Assistenzsystemen im Auto geben KI-basierte KAS situationsabhängige Handlungsempfehlungen, zum Beispiel durch den Vorschlag konkreter Lern- oder Arbeitseinheiten. Die finale Entscheidung für die Auswahl liegt jedoch stets bei den Beschäftigten.

Systeme, die in Echtzeit aufgrund von physiologischen Daten Beschäftige unterstützen, bieten große Innovationsmöglichkeiten für die digitale Lebens- und Arbeitswelt. Gleichzeitig greifen sie auch in die Privatsphäre ein. Im Projekt loten daher in einem gemeinsamen Prozess die Belegschaft, deren Vertretung und die Unternehmensleitung auch Lösungen und Leitplanken der sich entwickelnden Technologie aus.

Mithilfe von KAS im Arbeitsalltag weiterentwickeln

"Ich bin fest davon überzeugt, dass KI-basierte KAS ein großes Potenzial haben, wir müssen sie aber als soziotechnische Systeme begreifen und gestalten", erklärt Mädche. KAS sollen Mitarbeitern helfen, sich im Arbeitsalltag weiterzuentwickeln und das im Idealfall punktgenau und interaktiv. "Durch die Entwicklung und Erprobung eines KI-basierten Kompetenz-Assistenzsystems betten wir beim Projekt Kern das Erlernen von Kompetenzen direkt in den Kontext der Arbeit ein und stimmen den Inhalt auf die persönlichen Präferenzen des Mitarbeitenden ab", sagt Jannik Keller, Geschäftsführer und Gründer der Campusjäger GmbH. Moderne KAS sollen damit individuelle Bedürfnisse und Unternehmensziele gleichermaßen berücksichtigen und einen Rahmen schaffen, in dem sich Beschäftigte wirtschaftlich und motiviert weiterbilden können.

Das Projekt Kern wird vom KIT koordiniert und in Zusammenarbeit mit den Partnern SAP SE, TÜV Rheinland Akademie GmbH, Campusjäger GmbH und B. Braun Melsungen AG durchgeführt. Das Projekt wird im Rahmen der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) vom BMAS mit 1,36 Millionen Euro gefördert und setzt einen exemplarischen Experimentierraum zur Arbeit 4.0 um.